Gutes Handwerk und Agilität liegen nah beeinander

Agiles Projektmanagement, Scrum, Kanban und ‚Arbeiten im Paar‘ sind einige aktuelle Begriffe, die das zusammenfassen, was mir schon viele Jahre wichtig ist: kooperativ, selbstorganisiert, interdisziplinär und verantwortungsvoll zu arbeiten und andere für diese Arbeitsweise zu begeistern.

1967 – Opas Werkstatt lehrte mich, was mir heute in agilen Projekten zugutekommt

Mein Großvater hat einfach alles repariert – von der Waschmaschine bis zum Toaster. Er war der Dorfelektriker. Schon als Kind nahm er mich mit in seine Werkstatt und führte mich in die Tugenden des guten Handwerkers ein: Hartnäckigkeit, Ordnung, Disziplin, aber auch Sinn für Nachhaltigkeit, Offenheit für neue Lösungen und der unbedingte Wille, Qualität zu liefern. Einfallsreichtum gehörte auch dazu. Es gab ja noch kein Internet, um schnell an Ersatzteile zu kommen oder etwas nachzusehen. Im Zweifel musste man sich zu helfen wissen. Wir Kinder durften selbständig in der Werkstatt arbeiten. So bin ich in die technische Welt hinein gewachsen.

1986 – Raus aus dem Dorf – rein ins ‚World Wide Web‘

Während des Studiums habe ich in internationalen, interdisziplinären Projektteams gearbeitet. Fragen, die in der Wirtschaftswelt heute ganz oben auf dem Plan stehen, keimten damals auf.* Kein Wunder, sind sie doch natürlicher Teil der Arbeit, nicht nur in verteilten Teams:

*Wie kommunizieren wir? Wie organisieren wir uns? Wem nützt unsere Arbeit? Und auch: Erfordern die neuen Geschäftsmodelle der Unternehmen und ihre nötige Flexibilität nicht geradezu dezentrale, selbstorganisierte Teamarbeit?

 

1996 – Per Internet ins interkontinentale Projektgeschäft

Nach meinem Berufsstart in der Boston Consulting Group gründete ich zusammen mit einem taiwanesischen Kollegen eine Strategieberatung. Unsere Kollegen saßen in München, Freiburg, Düsseldorf, Singapur, im ländlichen Baden-Württemberg und in der VR China verteilt. Unser Kommunikationsmedium war das Internet. Doch vieles von dem, was wir praktizierten, war noch nicht so selbstverständlich wie heute: verschlüsselte Emails, gemeinsame Dateiablage beim Internet Anbieter, Chats, zum Beispiel.

Mitte der 90er Jahre waren solche virtuellen Teams noch selten. Ich aber hatte meine bevorzugte, globale Arbeitsumgebung schon gefunden. Hier war selbstverantwortliches Arbeiten im Team selbstverständlich. Das wir damit nicht gerade gewöhnlich waren, wurde mir erst klar, als ich später für Unternehmen arbeitete, die sehr hierarchisch, funktional spezialisiert und unflexibel organisiert waren. Bis zu dem Zeitpunkt waren mir, lineares Denken, belohntes Einzelkämpfertum, Ressourcenverschwendung und Angst vor Wandel in der Arbeitswelt fremd gewesen.

Im Kontrast dazu wurden mir die Vorteile meiner bisherigen Arbeitsweise deutlich. Damit war der Grundstein für meine heutige Arbeit als Beraterin in der Organisationsveränderung und -verbesserung (Change Management) gelegt: Unternehmen und ihre Mitarbeiter für eine direkte Kommunikation und Zusammenarbeit zu begeistern.

2010 – Zurück zu kooperativem Projektmanagement mit ‚Agilität‘

Ich finde eine Umgebung, in der Menschen meine Arbeitswerte teilen. Entwicklerkollegen nennen das agil arbeiten und sind bestrebt tag-täglich zwölf Prinzipien zu beherzigen, die sich aus dem Agilen Manifest ableiten. In Produktionsunternehmen beobachte ich im selben Jahr, dass verstärkt mit Lean Management Methoden gearbeitet wird, man sich zunehmend auf die 14 Mangement-Prinzipien der Qualitätsmanagement-Größe W.E. Deming besinnt und ein Fokus auf Transparenz („Visual Management“) legt.

Aktuell ist viel von der Generation Y  oder „Digital Natives“ die Rede. Ich arbeite gerne mit den jüngeren Kollegen und schätze ihre Werte wie Begeisterung und Selbstverpflichtung („Commitment“), Fokus, Offenheit bzw. Kommunikationsfreude, Respekt und Mut, die sich mit Agilität und Scrum gut vertragen. Fast kommt es mir so vor als würde ich gute Bekannte wiedertreffen. Mein Großvater hätte sicher zugestimmt.